Ein bemerkenswerter Fleck

nach Robert Frost

Ein Fleck,der nirgends wäre sichtbar mir,
außer auf einem weißen Blatt Papier,
trat mitten dort aus meiner Schrift hervor.
Nachlässig hob die Feder ich empor,
zu tilgen ihn mit einem Tintenstrich,
jedoch auf halbem Wege stutzte ich.

Dies war kein Staubfleck, den mein Hauch bewegte,
nein, eine Milbe wies dem Blick sich hier,
in welcher sich ein Eigenleben regte,
gehemmt, als ob sie die Gefahr erkannt,
und kam dann wieder wild daher gerannt
dorthin, wo noch mein Manuskript nicht trocken.

Ich sah sie trinkend oder witternd stocken
und angeekelt fliehn, die offenbar
mit Denkvermögen ausgestattet war.
Kaum schien an ihr für Füße Platz zu sein,
Doch
mußte sie besitzen ganze Reihn,
ihr Bangen vor dem Tode auszudrücken.
Hellwach mit Schrecken lief sie um ihr Leben.
Noch einmal hielt sie unentschlossen ein,
um dann zum Mittelblatte vorzurücken
und dem Geschick sich hilflos zu ergeben,
das ich ihr zugedacht.

Nun bin ich nicht ein unvernünftiger Kollektivist
von einem flauen Mitgefühl durchdrungen,
womit die Welt von heute noch mehr betrogen,
doch dieser überwinzig arme Wicht,
den keine Spur des Bösen angeflogen,
ich ließ ihn liegen, bis ihn Schlaf bezwungen.
                                                                     
Es mahnt mich in mir selber eine Seele,
daß ich sie nicht in andrer Form verfehle.
Wer ahnt, wie froh ich bin, erscheint sie mir
noch so gering auf einem Blatt Papier.

Grasaehre im Gegenlicht.jpg (17090 Byte)