Das Falterkabinett

                            1

An den Wänden in den Kastenrahmen
schillern sie, in Fülle ausgestellt,
und der Sammler weiß um ihre Namen,
und um Namen baut er ihre Welt.

Wir, fast scheu die Gäste dieses Raumes,
spüren Schauer magischer Gewalt.
Mählich aus dem Rausch des Farbentraumes
schwebt hervor die geistige Gestalt.

Abgespiegelt auf den Schmetterlingen,
schildert rätselvolles Leben sich.
Zwischen ihren offnen Bilderschwingen
steht ihr Irdisches, ein schmaler Strich.

Was mit Netzen feiner Nervenzellen
einstmals ihr beseelter Staub erfuhr,
webt noch immer in astralen Wellen
um die bunt geflügelte Figur.

brauner Segler.jpg (49078 Byte)

Brauner Segler

                            2

Auf die Unbestechlichkeit der Blicke
scheint vor ihrem Reiz noch kein Verlaß,
dünkt uns doch, dass Fruchtfleisch uns bestricke
von Orange und von Ananas.

Dünkt uns doch, als lockten Süßigkeiten,
dass man fast wie nach Pralinen greift,
eine Gaumenlust sich zu bereiten,
wenn die bunte Hülle angestreift.

Flüchtig überraschen die Genüsse,
Krem und Nugat, Pfefferminz und Zimt,
wie der zarte Schmelz gehauchter Küsse,
wie ein Klingen, zärtlich abgestimmt.

Plötzlich, noch in Schwelgerei versunken,
sind wir angesprüht von Rosenglut,
und ihr Aufblitz mit Feuerfunken
wie ein hitziger Likör ins Blut.

schmetterling.jpg (60513 Byte)
                                                                              Kleine Fledermaus
                           3

Nach dem Sinnenspiel der Augenweide
zieht es uns zu ernster Schönheit hin.
Schmetterlinge funkeln wie Geschmeide
in den Truhen einer Zauberin.

Feinster Seelenregung nachgeschaffen,
kündet Geisterkunst sich wunderbar:
Mantelschließen, schimmernde Agraffen,
lichte Zier für dunkles Feenhaar.

An den Flügelenden glühn Korunde,
Augen von geheimnisvoller Pracht,
Perlen wachsen auf Perlmuttergrunde
wie in irisfarbner Schöpfernacht.

Glitzernd aber am gezackten Rande
laufen Spuren um den Falterschmuck,
wo die Fee beim Wechsel der Gewande
ihn berührt mit leisem Fingerdruck.

schmetterling2.jpg (46135 Byte)
                           4  

Das Geheime will sich offenbaren.
Seine Zeichen winken uns von fern,
die wir, seltsam angeregt, gewahren:
Punkt und Bogen und im Ring den Stern.

Weit geschweift von Band und Kranz umschlungen,
hält uns die beschwingte Schrift in Bann
wie die Noten der Erinnerungen
eines fabelhaften Irgendwann.

Denn Musik schläft in der Zeichen Schimmer,
doch die Instrumente summen schon,
und nun klingen sie im All und Immer,
eingeklungen in der Farbe Ton.

Geistige Gestalt beginnt zu schweben,
und ihr Wesen wirkt sich aus im Tanz.
Die entseelten Schmetterlinge leben,
aufgerufen von der Töne Glanz.

Neonschwalbenschwanz.jpg (48125 Byte)

Neon-Schwalbenschwanz

                               5

Spiegelbildern gleichend unsrer Seele,
suchen sie und scheinen sich zu fliehn.
Dass der Scherz in ihrem Ernst nicht fehle,
tollt umher ein kleiner Harlekin.

Gelbe,grüne,rote Schleierseide !
Schwarzer, blauer, violetter Samt !
Leid in Lust ! O fremde Lust im Leide !
Holdheit, hinter Fächern süß entflammt !

Wie sich ihrer Farben Spiel verbünde,
strahlt nicht ihre eigne Buntheit nur,
vom azurnen Licht der Hintergründe
leuchtet ihre schillernde Kontur.

Tief im Traum der Träume abgeschieden,
sind sie tiefster Wirklichkeit Erweis.
Schönheit selber tanzt in den Sylphiden
und der Weltgeist in der Schönheit Kreis.

Himmelsfalter.jpg (43388 Byte)

Himmelsfalter

                              6

Keine Feindschaft scheint sich anzusagen,
keine Furcht umdüstert ihre Schar.
Manche Falter nur im Spiegel tragen
heimliche Embleme der Gefahr.

Linien, wie ein Lassowurf geschwungen,
folgen eines breiten Flügels Rand,
jenes andre Zeichen gleicht gedrungen
einem Kolben in des Wilden Hand.

Sehn wir Serpentinen an den Ecken,
ahnen wir, wie sich die Schlange bäumt,
und beim Anblick dieser Tigerflecken
den Vernichter, der im Dickicht säumt.

Doch gespiegelt bloß ist alles Grauen.
Schöne Einfalt wiegt in Sicherheit
ein unendlich seliges Vertrauen
auf des Augenblickes Ewigkeit.

Himmelsfalter2.jpg (66856 Byte)

Himmelsfalter

                            7

In den Falterpanoramen gleiten
Länder fern durch unsre Phantasie,
spiegeln sich im Gräsermeer der Weiten
ohne Zahl die Blumen der Prärie.

Märchenschöne Schmetterlinge hangen
blau wie der türkisne Ozean
zwischen der Mangroven Wurzelstangen
auf des Tropenstrandes Palmenplan.

Falter spiegelten das Bambusgitter,
reglos in der Dschungelschwüle Moor :
der Schraffierung flimmerndes Gezitter
täuscht der Stäbe sprödes Flirren vor.

Schönheit spiegelten die Falterflüge
über Orgien der Orchideen,
dass ein Mehr die Seele nicht ertrüge
wie ein Auge, das den Gott gesehn.

Bananenfalter.jpg (69585 Byte)

Bananenfalter

                           8

Manche dunkelfarbnen Falter sprühn
plötzlich heller in verstohlner Pracht,
wie sich eines Lagerfeuers Glühen
in der toten Asche neu entfacht.

Andre helle scheinen zu erbleichen
und den bleicheren voraufzuziehn,
die geflügelten Gespenstern gleichen,
wenn die Farben vor den Schatten fliehn.

Wilde Krieger, die im Urwald kauern
und den kühlen Flügelwind gespürt,
ducken sich und fühlen mit Erschauern
sich vom Über-Sinnlichen berührt.

In dem Paukenton der Trommelschläger
meldet es sich dumpf und ungewiß,
doch schon fliegen die Laternenträger
riesig durch die große Finsternis.

atlasfalter 2a.jpg (64560 Byte)

Atlasfalter

                            9

Also spiegelt auf den Schmetterlingen
sich das Fabelhafte wunderlich.
Zwischen ihren offnen Bilderschwingen
blaßt ihr Irdisches, ein schmaler Strich.

An den Wänden in den Kastenrahmen
schillern sie, in Fülle ausgestellt,
und der Sammler weiß um ihre Namen,
und um Namen baut er ihre Welt.

Wir, erst scheue Gäste dieses Raumes,
spürten Kräfte magischer Gewalt.
Aus dem Sinnenrausch des Farbentraumes
löste sich vergeistigte Gestalt.

Falter stehn wie kleine Segelschiffe
still und schön im bunten Flügelschein.
Über alle Namen und Begriffe
schweben sie ins Namenlose ein.

entnommen dem Gedichtband
"Abenteuer der Seele" Hermann-Meister Verlag Heidelberg

limetten schwalbenschwanz.jpg (52247 Byte)

Limetten-Schwalbenschwanz