Gedichte von den fünf Sinnen

Gedicht von den Geschmäcken

Daß wir Dinge, die wir sehn, auch schmecken,
daß sie bitter, süß und sauer sind,
ist, ein solches Wunder zu entdecken,
nicht schon Überraschung für das Kind ?

Wenn sie auf der Zunge sich vermischen,
gehen sie in Fleisch und Blut uns ein.
Sie erfreuen, stärken und erfrischen,
und ihr Wesen wirkt in unsrem Sein.

Fülle strömt von gastlichen Geschenken
aus den drei Bereichen der Natur.
Dankbar immer sollten wir gedenken
ihrer Art und ihrer Herkunft Spur.

Lob dem Salz, dem heiligen und reinen,
Lob dem Zucker, der uns Lust beschert !
Salz und Zucker weise zu vereinen,
ist der Sorgfalt kluger Köche wert.

 

Milch und Honig quillen aus dem Sprießen
grüner Flur und buntem Blühen auf,
und indem wir Fleisch und Fisch genießen,
nehmen wir den Kampf der Welt in Kauf.

Aber nichts ist saubrer und gesünder
als der Ernteschatz der Länderein.
Was das Auge labt, labt auch die Münder:
Gartenfrüchte, Korn und Obst und Wein.

Unser Geist schweift aus zu Tal und Hügeln,
da das Mahl uns Kraft zur Schau verlieh,
und mit prickelndem Gewürz beflügeln
wir die Freuden unsrer Phantasie.

Doch das Köstlichste, das wir genossen,
dem sich kaum ein andrer Schmack vergleicht,
war, von frischer Wanderluft umflossen,
eine Schnitte trocknes Brot vielleicht.

aus der Reihe : "Gedichte von den fünf Sinnen"
Versband: "Bild und Klang"