Die Hummel

Summe, Hummel,  deinen Reim !
Wo du summst, bin ich daheim.
Wie nach Portoriko hin
träumt sich über See mein Sinn,
hell erregt von deinem Ton,
in die heiße Region.
Zickzacksteurer, Lustbeschwörer,
ziehe näher mich zu dir,
immer teurer mir, dem Hörer,
über Busch und Weinspalier !

Wie du so von Sonne glühst,
Liebe fühlst und Freude sprühst,
Segler in der blauen Luft,
Schwimmer durch den Juniduft,
Reisender zur Mittagszeit,
schwelgend in Glückseligkeit :
säume doch, ich bitte dich,
näher noch umsumme mich,
bis die Qual des Denkens wich !

Seit ich dich im Mai vernahm,
als der Wind von Süden kam
und mit einem Schleierschein
silberte die Fernen ein,
als der Menschen Angesicht
färbte das verklärte Licht
und das laue Rasenland
übersät von Veilchen stand,
lockt, verlockt mich schon dein Laut
einsam in Gehölz und Kraut,
lausch ich ohne Unterlaß
deinem schwellend warmen Baß.

Summerin, verhätschelt ganz
jetzt vom Sommersonnenglanz,
täusche mir ein Indien vor
voller Pracht und Blumenflor,
fremde Golfe, süß und wild,
paradiesisches Gefild,
laß gelobtes Land mich schaun,
Tauben über Friedensaun,
die du nur das Reine siehst,
allen Schmutz und Unrat fliehst.

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Veilchenbeet und Beerenstrauch,
Ahornsaft, Narzissen auch,
Gräserfahnen voller Tau,
Wegwart wie der Himmel blau,
Akelei mit Honighorn,
Natternzungen, Schlehendorn,
Farn und Klee und Nelkenbrand,
Steinwurz an des Ackers Rand :
dicht und bunt und unentstellt,
malt sich füllig deine Welt.

Wie kein Weiser es erlost,
Philosoph du, samtbehost,
suchst du Schönes nur getreu,
kostest Süßigkeit allein,
nimmst das Korn und läßt die Spreu,
weißt von keiner Erdenpein.
Wenn der Wind bläst aus Nordwest,
schläfst du schon getrost und fest.
Wohl dem, der so schlafen kann,
allem Weh und Wunsch entrann !
Wunsch und Weh, noch Qual für mich, 
macht dein Schlummer lächerlich.

Ralph Waldo Emerson (amerikanischer Dichter)
Nachdichtung von Kurt Erich Meurer